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Fujigotemba – Kirin-Whisky

Ein Bus bringt uns im Uhrzeigensinn um den Fuji-San herum nach Fujigotemba, wo sich die Destille gleichen Namens – inzwischen aufgekauft von dem japanischen Getränkegiganten Kirin – befindet. Es handelt sich, anders als im Falle der romantischen Variante in Yoichi, um ein modernes Fabrikgelände, in dem halt nebenbei ein, zwei solide Whiskys produziert werden. Ansonsten wird abgefüllt was das Zeug hält, und zwar Massenware. Die Theorie von Stefan ist, dass an einigen wenigen Tagen im Jahr die qualitativ hochwertigeren Erzeugnisse durch die Adern der riesigen Anlage fließen. Wir fühlen uns wie Borsig-Arbeiter, als wir das Gelände betreten.

Empfangen werden wir von jungen Damen in Trikots der japanischen Fußball-Nationalmannschaft, die von Kirin gesponsert wird. Wie im wohlorganisierten Japan üblich besorgt man uns schnell eine des Englischen mächtige Person – wieder im Trikot. Wir müssen ein Dokument unterzeichnen, erhalten einen Plan jenes Teils der Anlage, der von Besuchern betreten werden darf, und beginnen unsere Wanderung.

Kirin zeigt sehr offen jeden Schritt der Produktion, zuweilen darf man lediglich nicht fotografieren (siehe Fotos unten). Tatsächlich hat uns diese Offenheit angenehm überrascht und durchaus berührt. Einige der Arbeitsplätze wirken nicht sehr attraktiv (ebenfalls: Fotos). Wir wurden Zeugen der Abfüllung eines amerikanischen in Lizenz hergestellten Bourbon, des „Four Roses“.

Die Energie der Gänge ist die eines etwas älteren Krankenhauses, dennoch sind die Informationen nicht schlecht aufbereitet. Und letztendlich lieben wir das Skurrile.

Am Ende des Rundgangs kommt es endlich zum Tasting. Wir betreten einen großen Raum, in dem sich bereits eine japanische Reisegruppe niedergelassen hat. Wir werden herzlich in Empfang genommen, diesmal von einer Japanerin, die wirklich gut Englisch spricht (auf Nachfrage erklärt sie, lange in Australien gelebt zu haben). Auch sie trägt das Trikot der japanischen Fußballnationalmannschaft.

Wir dürfen uns setzen und werden angewiesen, in maximal 20 Minuten den Raum zu verlassen. Wir dürfen kostenlos von den beiden Billigwhiskys, die wir uns aus Fässern selbst entnehmen sollen, probieren, und von einigen anderen Kirin-Produkten (zum Beispiel der gar nicht so üblen Litschi-Salz-Limonade – es gibt einiges in Japan, das es bei uns nicht gibt). Wir fragen, ob der Grund für die 20-Minuten-Grenze die Verhinderung von Besäufnissen sei, was unsere Betreuerin lächelnd bestätigt. Nach kurzer Verhandlung stockt sie auf 25 Minuten auf, weil wir auch noch die wenigen guten Whiskys – kostenpflichtig – verkosten möchten.

Auch das bessere der beiden Gratis-Fässer genügt nicht unseren Ansprüchen. Wir entscheiden uns für die Transformation in einen Longdrink, den uns unsere Betreuerin mixt, was sehr nett ist, aber keine kulinarischen Höhen erklimmt. Dennoch fühlen wir uns wohl, weil die Fürsorge und der Stil der Dame einen angenehmen Rahmen schaffen.

Stefan bestellt schließlich an der Theke zwei der ernsteren Produkte der Destille, einen 15jähringen Grain-Whisky und einen 18jährigen Single Malt. Der Grain ist eine gelungene Angelegenheit, der Single Malt für einen 18 Jahre Alten durchaus, na ja, ganz ok.

Nachdem die 25 Minuten vorbei sind, machen wir uns zum Gehen bereit, und die gesamte (komplett weibliche) Belegschaft verabschiedet uns auf japanischst denkbare, würdevolle Weise. Im Gaumen bleiben der Grain und die Salz-Litschi-Limonade.

Fujigotemba – grüner Tee bei den Damen

In Fujigotemba entdecken wir einen kleinen Teeladen in einer unbedeutenden Nebenstraße. Dort werden wir von zwei reizenden Damen – die eine etwas älter, die andere etwas jünger – recht herzlich begrüßt. Die Schnittmenge unserer sprachlichen Möglichkeiten ist wie so oft null, also sind Mimik und Gestik die Rohstoffe unserer Kommunikation. Alle vier haben wir unseren interkulturellen Spaß. In Japan geschieht es oft, dass man uns eindringlich auf Japanisch etwas klarzumachen versucht und auf unsere verständnislosen Mienen mit überdeutlicher Artikulation und einfacher Sprache mit zahlreichen Wiederholungen reagiert. Nutzen tut es freilich nichts. Wieder bekommen wir eingeschenkt, diesmal einen einfachen kalten Bancha. Nett.

Ich versuche, die Angelegenheit auf ein neues Level zu heben, indem ich, ähnlich einer venezianischen Taube, „Gyukuro, Gyukuro?“ gurre. Da nicken die beiden, wir alle freuen uns; die ältere Dame geht zum Kühlschrank (so soll es sein, Gyokuro muss gekühlt gelagert werden) und holt ein 50- und ein 100 g-Päckchen heraus. Ohne Details zu Herkunft und Alter in Erfahrung bringen zu können, erkläre ich meine Kaufbereitschaft: 50 Gramm genügen. Ein Einsatz von 1.600 Yen ist vertretbar, der Genuss kann potenziell transzendent sein (jedenfalls wenn der kostbaren Stoff den Transport in die ferne Heimat unbeschadet übersteht).

Neues über die japanische Teekultur im Sinne darstellbarer Fakten haben wir nicht erfahren – egal. Am Ende bekommt jeder von uns noch zwei Grüntee-Bonbons mit einem Mount Fuji-Motiv drauf geschenkt (dieses ist im Umkreis von 100 Kilometern auf fast jeder Tasse, jeder Postkarte, jeder Packung Reiskuchen, jeder Eintrittskarte und jeder Tüte Zucker zu finden), und wir verlassen den handlichen kleinen Laden in dem Bewusstsein, dass ein paar herzliche Augenblicke die Distanz zwischen den Völkern schrumpfen lassen kann wie eine achtsam getrunkene Tasse Gyukuro den Stress des modernen Alltags.

Zum Anschluss erfahren wir noch, dass die jüngere der beiden als kleines Kind einmal zu Besuch in „Brn? Brlino? Berolino? Aha! Berlin!“ war, wie wir gemeinsam entschlüsseln. Es gelingt uns noch auszudrücken, dass es sich dabei um unsere Heimatstadt handelt, dann sind wir alle ein wenig erschöpft, aber glücklich, und verabschieden uns in unsere jeweiligen disjunkten Lebenswelten.

Grüner Tee im Harukiya-Shop in Fujiyoshida am Fuße des Fuji-San

Die freundlichen, lustigen, etwas albernen Damen der Tourist Information an der Mt. Fuji Train Station am Fuße des Fujiyama in der kleinen Stadt Fujiyoshida zeichnen uns den Weg zum nächsten Teeshop namens Harukiya auf (es handelt sich eigentlich um eine der Filialen der Harukiya Ltd.). Wir suchen ihn und finden ihn und werden dort von einer ausgezeichnet Englisch sprechenden Verkäuferin empfangen. Die grünen Tees, die das Geschäft neben Teeutensilien, Kaffee und etwas Tinnef hauptsächlich führt, stammen weitgehend aus der Nachbarpräfektur Shizuoka, einige andere von der südlichsten japanischen Insel Kyushu. Seit dem Disaster in Fukushima sei die Nachfrage nach Tees aus weiter entfernt liegenden Gegenden gestiegen, und die Produzenten auf Honshū hätten das Nachsehen. Shizuoka bleibt aber nach wie vor das wichtigste Anbaugebiet Japans.

Madame T (wir hätten nach ihrem Namen fragen sollen, nur irgendwie war das Gespräch zwar sehr nett, aber nicht allzu verbindend) gießt noch einmal auf was sie gerade selbst trinkt und schenkt uns ein. Nicht schlecht, aber auch keine Offenbarung. Ich erkläre, dass ich großer Fan dieses edlen Getränks sei und ein bis zwei Liter am Tag konsumiere. Worauf sie erwidert, in Japan trinke man guten grünen Tee eher in kleinen Mengen zur gesitteten Entspannung. „Ich auch, ich auch“, versichere ich schnell, „die einfacheren Tees zur Arbeit oder zum Essen, die richtig guten in abendlicher meditativer Laune.“

Wir fragen höflich, ob es möglich sei, direkt zu den Highlights überzugehen und was diese seien. Gyukuro, den feinsten aller Grüntees, habe sie nicht auf Lager, sie schlägt aber eine Alternative vor: einen Sencha aus Shizuoka, den sie mit den Worten „mal sehn ob ich ihn gut hinkriege“ zuzubereiten beginnt. Sie wirkt nicht wie eine absolut routinierte Profi-Teeistin und steht dazu.

Der kleine Shop ist gut besucht, immer wieder kommen Besucher herein, bekommen eine Tasse Tee eingeschenkt, kaufen etwas oder auch nicht, verbeugen sich, nicken uns freundlich zu oder auch nicht und verhalten sich insgesamt ziemlich japanisch. Wir probieren den Tee, den sie weniger als eine Minute bei 60 Grad ziehen lässt (ihre Faustformel: „je besser der Tee desto kälter das Wasser, aber meistens 60 Grad“ bestätige ich nicht vollen Herzens, aber die Tendenz ist ok). Und ich bin begeistert: er ist recht mild, dennoch tief, ausgeglichen, hat Seele. Ich kaufe (2.100 Yen für 100 g).

Ob es spezielle Bedingungen gebe, um diesen flüssigen Smaragd so hinzubekommen, frage ich. Noch während ich nach der Herkunft des Wassers frage, dämmert mir, dass wir uns ganz nah am Fuji befinden, und sie bestätigt die Qualität des Gebirgswassers, das wohl kaum von jenem aus importierten Plastikflaschen übertroffen werden dürfte.

Inzwischen passiert draußen – das Geschäft befindet sich an einer Kreuzung – ein Unfall. Ein japanischer Kleinwagen mit zwei älteren Frauen rammt einen japanischen Kleinwagen mit einer jungen Frau, es gibt einen beachtlichen Knall. Eine der Parteien hat offenbar die rote Ampel ignoriert (vielleicht weil die Fahrerin uns im Laden gesehen hat), die andere konnte nicht ausweichen. Wir rennen hinaus, stellen fest dass das getroffene Auto fahrerseitig konkav gedellt, die junge Fahrerin aber unverletzt ist und auch nicht den Eindruck macht als würde sie posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln. Sie schafft es noch, auf den Parkplatz neben dem Teeshop zu parken. Die ältere Fahrerin hat angehalten und läuft bleich (noch bleicher als es ihr genetisches Erbe ohnehin von ihr verlangt) auf das lädierte Gefährt zu. Die Angelegenheit schwenkt endgültig in einen ordnungsgemäßen Ablauf ein, als die Polizei kommt.

„Die jungen Leute von heute trinken nicht mehr so viel grünen Tee“, erklärt die Verkäuferin. „Eher Cola“, äußere ich meine internationale Beobachtung, und sie nickt. Wir lassen uns den nächsten Tee empfehlen, einen der Importe aus Kyushu. Mit 1.300 Yen günstiger als der andere, nicht ganz so erhaben, aber ebenfalls sehr lecker. Und ebenfalls: gekauft.

Wieder kommen Kunden und gehen, draußen brechen die Wolken auf und ergießen ihre Wassermassen als gäbe es kein Morgen. Wir reden noch ein bisschen über Erzeugungs- und Zubereitungsmethoden, ich lasse mir noch ihren persönlichen Alltagslieblingstee empfehlen (ein Sencha aus Shizuoka für 700 Yen pro 100 g), den wir aber nicht mehr probieren, sondern, alle guten Dinge drei sein lassend, ebenfalls kaufen. Stefan erwirbt noch eine hübsche Dose Matcha, und wir sagen Sayonara.

Die Whisky-Destille in Yoichi auf Hokkaido

Einige hundert Kilometer nördlich von Tokyo beginnen wir unsere Whiskydestillensafari. Die Fahrt nach Hokkaido (Googeln findet gleichermaßen die nördlichste der vier japanischen Hauptinseln und den ursprünglich von dort stammenden leckeren Kürbis) dauert gut 9 Stunden mit dem Zug und führt durch den fast 54 km langen Seikan-Tunnel, der die Hauptinsel Honshu mit Hokkaido verbindet. Dieser längste im Betrieb befindliche Tunnel der Welt hat seine tiefste Stelle mit klaustrophobischen 240 Metern gut 90 Meter unter dem Meeresboden.

Von Sapporo aus, wo wir uns im Nakamuraya Ryokan niedergelassen haben und eine Gastfreundschaft genießen, die Japan noch nicht exportiert hat (oder gibt es bei uns vielleicht keinen Markt dafür?), fahren Lokalzüge weiter in das kleine 20.000-Seelen-Städtchen Yoichi, das innerhalb Japans nicht nur für seinen (wirklich süffigen) Apfelsaft bekannt ist, sondern in dem auch die ältere der beiden Nikka Whisky-Destillen beheimatet ist. Jedes Jahr werden hier viele japanische und einige internationale Touristen empfangen und finden einen durchaus nicht üblen Theme-Park mit Whisky-Museum, Bar, Shop, Video-Shows und den begehbaren (Schuhe: natürlich ausziehen) Gemächern des Gründers Masataka Taketsuru vor. Moderne Authentizitätstouristen mit Anspruch mögen die Nase rümpfen, wir hingegen fanden, auch wenn unsere ursprüngliche Phantasie, in privater Runde mit einem schrullig-weisen japanischen Meister-Whisky-Blender dessen älteste Privatvorräte zu verkosten, nicht objektive Wirklichkeit geworden ist, die Anlage sehr schön. Der Besuch ist kostenlos, und obendrein gibt es für jeden Besucher, der nicht mit dem Auto hier ist (Fahrer werden angehalten, sich einen Aufkleber ans Revers zu heften, der – ich übersetze aus dem Japanischen – in etwa sagt „Dem hier keinen Alkohol einschenken“), ebenfalls kostenlos ein Mini-Tasting mit zwei angemessen ausgewählten Whiskys und jeweils einem Gläschen Apfelwein, Apfelsaft und grünem Tee.

Die wirklich hochklassigen Tropfen werden dann an der Bar weiter hinten im Museum ausgeschenkt – gegen einen winzigen Unkostenbeitrag. Leider steht der Euro derzeit gar nicht gut zum Yen, was aber in typisch japanischer Effizienz die Ballermänner der Welt abschreckt wie roher Fisch die Freunde deutscher Hausmannskost. Stefan wählte souverän eine Serie von Single Cask (Cask Strength)-Proben aus: eine 5, eine 10, 15 und so weiter bis 25 Jahre alte Abfüllung, die jeweils eine andere Geschichte erzählten und allesamt wert waren getrunken zu werden. Jede Probe umfasste 15 cl und kostete zwischen 250 und 900 Yen (der niedrig stehende Euro spielt hier einen seiner armseligen Vorteile aus: weil der Umrechnungskurs aktuell, also im September 2012, ungefähr 1 zu 100 ist, lässt sich das auch im fortgeschrittenen Alkoholstadium noch relativ korrekt um– aber nicht ohne weiteres schönrechnen). Im Großen und Ganzen kommt das aber billiger als ein Rundflug über Kaiserslautern.

Viel zu erfahren ist vom Barmann nicht – wie die meisten Japaner ist er des Englischen nicht wirklich mächtig. Immerhin deutete er auf die 10 Jahre alte Variante, von der wir als letztes kosteten (unsere Reihenfolge war recht kreativ) und meinte, dies sei sein „favorite“, er sei aus einem „neuen Fass“. Und tatsächlich: dieser junge Whisky besaß erstaunliche Qualitäten, wie sie die meisten seiner schottischen Altersgenossen nicht vorweisen können. Eine kleine Flasche desselben haben wir erworben. Leider wird sie im Handgepäck – und nur solches führen wir mit – nicht die Sicherheitskontrolle des Narita International Airport überwinden, also ist ihr Schicksal ungewiss. Schaun wir mal.

Die kleine Whiskybar in Tokyo

An den ersten beiden Tagen einer Reise über mehrere Zeitzonen torkeln gewöhnlich die weniger robusten Vertreter unserer Art in einem jetlaginduzierten Mix aus Euphorie, Müdigkeit und moderater Verwirrung durch die jeweilige Hauptstadt, die das übliche Ziel eines Langstreckenfluges ist. Man erlebt sich selbst als Anderen, Fremden, der sich in einem Koordinatensystem mit allzu vielen geänderten Parametern (Geräuschen. Gerüchen, Geschmäckern, Gestiken) wiederzufinden versucht. Hat die Reise einen Zweck, ganz gleich ob einen erfundenen oder einen echten, erleichtert das die Orientierung und richtet den malträtierten inneren Kompass schneller neu aus als eine eher sinnfreie Unternehmung: es entsteht eine vereinfachte Metrik für die Bestimmung der eigenen Position im multidimensionalen Zustandsraum unserer inneren Landschaften.

Anders gesagt: besteht der – in unserem Fall erfundene – Zweck der Reise in der Erforschung zweier kulinarischer Höhepunkte der Kulturgeschichte der Menschheit, ist der Besuch entweder eines Teehauses oder einer Whiskybar eine Möglichkeit, dem inneren Taumel zu entkommen. Am Abend des zweiten Tages fanden wir in der Umgebung unseres Ryokan letzteres.

Tokyo präsentierte sich tagsüber mit 33 Grad im Schatten und 98% Luftfeuchtigkeit nicht gerade als Luftkurort. Wir sind ein wenig durch die Stadt geschlendert, aßen in Shinjuku unser erstes Sushi, organisierten in Tokyo (dem zentralen Stadtteil, der der Stadt ihren Namen gibt) unsere Weiterfahrt nach Hokkaido – zur ersten Destille sowohl Japans als auch unserer Reise -, suchten im einen oder anderen Elektronikkaufhaus nach unbekanntem Zeugs, und spülten unser lecker Abendessen in einem einfachen Lokal mit drei oder vier Gläsern Sake hinunter. Saubere Sache, soweit.

Auf dem Heimweg suchten und fanden wir dann unsere erste auf Whisky spezialisierte Bar, einen vielleicht zwei Meter breiten und acht Meter langen Schlauch mit Platz für etwa 18 Japaner oder 12 Europäer. Drinnen saßen ein Pärchen (sie Nagellackiererin, er Computerspielprogrammierer – als solche haben sich die beiden jedenfalls vorgestellt) und ein Angestellter mittleren Alters, gehobener Dienst (so habe ich ihn mir vorgestellt – eine Phantasie, aber sie transportiert das Bild). Der Barmann war ein vielleicht 30 Jahre junger Mann.

Stefan analysierte das Angebot und fand eine Reihe hochwertiger japanischer und schottischer Whiskys, neben all jenen profaneren Produkten, die man auch bei Reichelt findet. Die einzige Dame im Raum sprach etwas Englisch (sie habe drei Jahre in London gelebt) und übersetzte – die Stimmung war wirklich nett. KeineR der Anwesenden trank Whisky (sondern Bier bzw. die lokale Version eines Mojito), also suchte Stefan einen 17jährigen Habiki aus und fragte nach dem Preis. Ein Glas kostete 1.700 Yen – schlappe 17 Euro. Japan halt. Überteuert, aus unserer Sicht. Hätten wir allerdings sparen wollen, hieße dieses Blog „Polen – Hagebuttentee und Wodka“ (womit nichts gegen diese drei gesagt sei). Also: bestellt! Als Vertreter der Grünteekultur verzichtete ich aber und ließ mir einen Kompromiss vorschlagen: einen alterslosen Nikka Single Malt für nur 1.000 Yen (rechnet selbst um). Kein Spitzenprodukt, aber auch kein J. Walker (etwas neidisch schielte ich auf den Mojito der Nagellackiererin).

Wir nippten.

Und realisierten ein enormes Manko der Bar. Diese war nur schwach klimatisiert, die Innentemperatur betrug vielleicht 26 Grad. Tagsüber, so unsere Vermutung, wird sich der Raum aber aufgeheizt haben und damit die im Regal stehenden Whiskys ebenfalls. Zwar werden hochwertige Whiskys nicht wie Cuba Libre mit Eis getrunken, aber ebensowenig handwarm.

Das minderte den Genuss immens. Whisky muss sich entspannt ausbreiten, seine Geschichte aufbauen, sein Drama schlüssig entfalten, wenn er auf Zunge und Gaumen trifft. (Relativ, aber nicht sehr) kalt muss auf (relativ) warm treffen, ihr Gegensatz eine Spannung erzeugen; fängt er zu warm an, ist das wie wenn Scarlett O’Hara gleich in der ersten Szene Red Butler ihre Liebe gestünde: ihr verzweifeltes „Red…. Red….“ würde kaum wirken, und den Abgang Butlers verstünde man auch nicht.

So war es auch nicht der Wind, der uns bald in unser Ryokan wehte, sondern die Air Condition und der Futon, die uns lockten, denn am folgenden Morgen würde die Bahn uns nach Hokkaido bringen, was eine Checkout-Zeit von 6:45 Uhr erforderte, die – nach Abzug einer Stunde pro Tag vom Jetlag – einer inneren Uhrzeit von 1:45 Uhr entsprach. Gute Nacht.