Grüner Tee im Harukiya-Shop in Fujiyoshida am Fuße des Fuji-San

Die freundlichen, lustigen, etwas albernen Damen der Tourist Information an der Mt. Fuji Train Station am Fuße des Fujiyama in der kleinen Stadt Fujiyoshida zeichnen uns den Weg zum nächsten Teeshop namens Harukiya auf (es handelt sich eigentlich um eine der Filialen der Harukiya Ltd.). Wir suchen ihn und finden ihn und werden dort von einer ausgezeichnet Englisch sprechenden Verkäuferin empfangen. Die grünen Tees, die das Geschäft neben Teeutensilien, Kaffee und etwas Tinnef hauptsächlich führt, stammen weitgehend aus der Nachbarpräfektur Shizuoka, einige andere von der südlichsten japanischen Insel Kyushu. Seit dem Disaster in Fukushima sei die Nachfrage nach Tees aus weiter entfernt liegenden Gegenden gestiegen, und die Produzenten auf Honshū hätten das Nachsehen. Shizuoka bleibt aber nach wie vor das wichtigste Anbaugebiet Japans.

Madame T (wir hätten nach ihrem Namen fragen sollen, nur irgendwie war das Gespräch zwar sehr nett, aber nicht allzu verbindend) gießt noch einmal auf was sie gerade selbst trinkt und schenkt uns ein. Nicht schlecht, aber auch keine Offenbarung. Ich erkläre, dass ich großer Fan dieses edlen Getränks sei und ein bis zwei Liter am Tag konsumiere. Worauf sie erwidert, in Japan trinke man guten grünen Tee eher in kleinen Mengen zur gesitteten Entspannung. „Ich auch, ich auch“, versichere ich schnell, „die einfacheren Tees zur Arbeit oder zum Essen, die richtig guten in abendlicher meditativer Laune.“

Wir fragen höflich, ob es möglich sei, direkt zu den Highlights überzugehen und was diese seien. Gyukuro, den feinsten aller Grüntees, habe sie nicht auf Lager, sie schlägt aber eine Alternative vor: einen Sencha aus Shizuoka, den sie mit den Worten „mal sehn ob ich ihn gut hinkriege“ zuzubereiten beginnt. Sie wirkt nicht wie eine absolut routinierte Profi-Teeistin und steht dazu.

Der kleine Shop ist gut besucht, immer wieder kommen Besucher herein, bekommen eine Tasse Tee eingeschenkt, kaufen etwas oder auch nicht, verbeugen sich, nicken uns freundlich zu oder auch nicht und verhalten sich insgesamt ziemlich japanisch. Wir probieren den Tee, den sie weniger als eine Minute bei 60 Grad ziehen lässt (ihre Faustformel: „je besser der Tee desto kälter das Wasser, aber meistens 60 Grad“ bestätige ich nicht vollen Herzens, aber die Tendenz ist ok). Und ich bin begeistert: er ist recht mild, dennoch tief, ausgeglichen, hat Seele. Ich kaufe (2.100 Yen für 100 g).

Ob es spezielle Bedingungen gebe, um diesen flüssigen Smaragd so hinzubekommen, frage ich. Noch während ich nach der Herkunft des Wassers frage, dämmert mir, dass wir uns ganz nah am Fuji befinden, und sie bestätigt die Qualität des Gebirgswassers, das wohl kaum von jenem aus importierten Plastikflaschen übertroffen werden dürfte.

Inzwischen passiert draußen – das Geschäft befindet sich an einer Kreuzung – ein Unfall. Ein japanischer Kleinwagen mit zwei älteren Frauen rammt einen japanischen Kleinwagen mit einer jungen Frau, es gibt einen beachtlichen Knall. Eine der Parteien hat offenbar die rote Ampel ignoriert (vielleicht weil die Fahrerin uns im Laden gesehen hat), die andere konnte nicht ausweichen. Wir rennen hinaus, stellen fest dass das getroffene Auto fahrerseitig konkav gedellt, die junge Fahrerin aber unverletzt ist und auch nicht den Eindruck macht als würde sie posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln. Sie schafft es noch, auf den Parkplatz neben dem Teeshop zu parken. Die ältere Fahrerin hat angehalten und läuft bleich (noch bleicher als es ihr genetisches Erbe ohnehin von ihr verlangt) auf das lädierte Gefährt zu. Die Angelegenheit schwenkt endgültig in einen ordnungsgemäßen Ablauf ein, als die Polizei kommt.

„Die jungen Leute von heute trinken nicht mehr so viel grünen Tee“, erklärt die Verkäuferin. „Eher Cola“, äußere ich meine internationale Beobachtung, und sie nickt. Wir lassen uns den nächsten Tee empfehlen, einen der Importe aus Kyushu. Mit 1.300 Yen günstiger als der andere, nicht ganz so erhaben, aber ebenfalls sehr lecker. Und ebenfalls: gekauft.

Wieder kommen Kunden und gehen, draußen brechen die Wolken auf und ergießen ihre Wassermassen als gäbe es kein Morgen. Wir reden noch ein bisschen über Erzeugungs- und Zubereitungsmethoden, ich lasse mir noch ihren persönlichen Alltagslieblingstee empfehlen (ein Sencha aus Shizuoka für 700 Yen pro 100 g), den wir aber nicht mehr probieren, sondern, alle guten Dinge drei sein lassend, ebenfalls kaufen. Stefan erwirbt noch eine hübsche Dose Matcha, und wir sagen Sayonara.