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Der Gyukuro der Damen aus Fujigotemba

Die vielen mitgebrachten Tees brauchen sich langsam auf: viele waren großartig, manche hatten entweder ihre besten Tage hinter sich oder ich lag mit der Zubereitung um einen Kontinent daneben oder sie gehörten einfach nicht dazu. Nun steht neben mir eine Tasse, die mich veranlasst, den einfachen, aber äußerst effektiven Kategorien Gut und Schlecht eine weitere hinzuzufügen: Überirdisch.

Es war ein wenig aufwändig, den Gyukuro, der ja gekühlt gelagert wird, nach Berlin zu schaffen: immer wieder hieß es „rein in die Minibar, raus aus der Minibar“. Die reizenden Damen hatten ihn gut verpackt und in mehrfachen Schichten Papier und Plastik und einer Kühltasche verstaut. Seit unserer Rückkehr nach Berlin lagert er in unserem Kühlschrank, und heute habe ich ihn endlich entkorkt. Beim Öffnen der Verpackung lief mir allerdings das Wasser aus der äußeren Plastiktüte entgegen, und die innere Kühltasche war ebenfalls so nass wie Schottland im Hochsommer. Ein physikalisches Wunder, das zu ignorieren mir aber nicht schwer fiel, den ich fürchtete um den edlen Stoff. Wie bei einer Babuschka kämpfte ich mich vor, um am Ende dann erleichtert das feuchte, aber nicht nasse ursprüngliche Produkt in den Händen zu halten (das Wasser habe ich nicht untersucht, wahrscheinlich war es radioaktiv, irgendein Fukushima-Seiteneffekt). Der Tee selbst war vollkommen trocken.

Und hat sofort funktioniert: Wasser auf 55 Grad, einen gehäuften Esslöffel für mein große Tasse (hier breche ich mit der Tradition, aber ich bin auch der Meinung, dass Körpervolumen und Teemenge in einem ausgewogenen Verhältnis stehen sollten) – und genossen. Während ich diese Zeilen tippe, steht neben mir der zweite Aufguss.

Herrn Takadas Gespür für Tee

Herr Takada und der grüne Tee

Es sind nicht alle Tage wie dieser. Susanne vom Sake-Kontor hat uns mit Herrn Takada zusammengebracht, der in der Präfektur Uji nahe Kyoto seine Firma Chanoka hat, die Tee produziert und exportiert (unter anderem ins KaDeWe in Berlin, Käfer in München, und ein Kontakt mit Alfons Schubeck besteht auch schon). Während Shizuoka die quantitative No. 1-Region für grünen Tee in Japan ist, ist Uji die qualitative (was einem jeder Einwohner von Uji gerne bestätigt). Hier fing alles an, hier sind die Wallfahrtsorte, die Heiligtümer, hier ist der Nabel von Sencha, Matcha und Gyukuro. Hier gibt es das Kanbayashi Teemuseum, das Taiho-An Uji City Municipal Tea Ceremony House, eine kleine Einkaufsmeile mit einem Teegeschäft neben dem nächsten, alten wie neuen, hier atmen die Straßen Tee. Und außerdem ist die Gegend wunderschön.

Der Expresszug benötigt nur 15 Minuten von Kyōto Station, um eine andere Welt zu erreichen. Vor Uji City Station sind wir mit Herrn Takada verabredet. Kurz nach unserer Ankunft am Bahnhof stelle ich den Verlust meines Portemonnaies fest – wer einen kurzen Ausflug ins Reich der Panik unternehmen möchte, klicke bitte hier.

Teestadt Uji

Herr Takada bringt uns als erstes ins besagte Teemuseum, dessen Besitzer er kennt und den er als Präsidenten und wichtigen Mann für die hiesige Kulturgeschichte des Tees vorstellt. Gegenstände aus allen Jahrhunderten und einige alte Fotos erzählen die Geschichte des Getränks, seit es von China herüber gebracht wurde und zunächst nur von Mönchen konsumiert wurde.

Grüntee-Eis mit Matcha-Streu

Grüntee-Eis mit Matcha-Streu

Tee-Eis

Die nächste Station leitet er mit den Worten ein, dass Grüntee-Eis in aller Regel nicht schmecke – eine Erfahrung, die ich teile, auch wenn sie nicht mit der Menge des im Kyōtoer Großraum angebotenen Grüntee-Eises korreliert. Mit einer Ausnahme: am Ende der Straße mit den Teegeschäften habe eine Bekannte von ihm (da er ungefähr alle Leute in Uji zu kennen scheint, die schon einmal Tee getrunken haben, ist diese Qualifikation relativ) ein kleines Geschäft, das wirklich gutes Eis verkaufe, das nicht fast ausschließlich nach Nichts schmecke. Der Trick: Matcha-Pulver wird über das Eis gestreut. Einfach und unglaublich wirkungsvoll, und das erste gute Grüntee-Eis meines Lebens (ehrlicher Weise muss man sagen, dass das Eis als solches auch hochwertiger schmeckte als seine Cousinen und Cousins in den Geschäften der Konkurrenz).

Wir schlendern die Teestraße herunter. Herr Takada darf anscheinend überall parken (wahrscheinlich hat der örtliche Polizeichef schon einmal Tee getrunken). Etwas anderes als Teeläden gibt es in dieser Gasse nicht (abgesehen natürlich von Getränkeautomaten), einer neben dem nächsten.“Um vom Handel mit grünem Tee zu leben“. erklärt er, „muss man diverse Produkte verkaufen, nicht nur die Blätter selbst. Die machen nur einen kleinen Teil des Umsatzes aus.“ Und so sind die Läden (wie eigentlich in ganz Japan) voll mit Grünteewaffeln, Grünteereisküchlein mit Bohnenfüllung, Grünteedrinks, Grünteeschokolade, Grünteeglibber, sogar Grünteebaumkuchen (bislang galt Baumkuchen immer als das geniale Geschenk für Japaner – das könnte sich mit der Erfindung des Grünteebaumkuchens umkehren), kurz, was immer sich mit Grüntee kombinieren lässt, wird produziert und verkauft. Ebenso einige Dinge, zu denen grüner Tee eigentlich nicht passt.
Einer der Shops behauptet von sich, über 500 Jahre als zu sein, was Herr Takada auch bestätigt.

Eine kleine Teezeremonie

Unter am Fluss (hier gibt es noch Kormoranfischerei, allerdings nicht mehr kommerziell) bucht uns Herr Takada eine Teezeremonie im Schnelldurchlauf. Sie wird von zwei älteren Damen professionell und mit Humor durchgeführt, und ich darf fotografieren. Die Details kann man überall nachlesen, das Internet ist voll davon.

Teefelder und Energie

Weiter geht es zu einigen Teefeldern, die horizonttechnisch absolut skurril von Hochspannungsleitungen eingerahmt werden. Eigentlich eine wunderschöne Landschaft, in die die Moderne ungebremst Einzug gehalten hat und daran erinnert, dass Landschaftsplanung generell eines der Stiefkinder der Menschheit ist.

Die kleinen Ventilatoren an den Masten dienen dazu, im Winter die Wassertropfen, die sich nach nächtlichem Frost morgens beim Auftauen auf den Teeblättern sammeln und zu Verbrennungen der Teeblätter führen, bei der Verdunstung zu unterstützen.

Das spirituelle Teezentrum

Die nächste Etappe unseres Marathons ist schließlich das Herz der japanischen Teegeschichte (in jedem Fall der der Präfektur Uji). Der Teegott hat hier seinen Schrein, und die großen Getränkeproduzenten Japans haben sich auf den Pfählen des steinernen Zauns verewigt (sie dürfen, weil sie die Anlage finanzieren). Wir halten ein kurzes Shinto-Ritual ab (die Glocke schlagen, um die Götter, die man um etwas bitten möchte, herbeizurrufen, zweimal verbeugen, zweimal klatschen, wieder verbeugen) und machen uns dann auf den Weg ins Büro Herrn Takadas.

Happy Tea Break

Bereits der erste eisgekühlte Sencha, der uns serviert wird, schmeckt köstlich. Das bereitet uns vielleicht ein wenig vor auf die nun folgende Offenbarung.

Herr Takada bereitet seinen Spezialtee (etwas irritierend präsentert als „Happy Tea Break“, siehe Foto) zu. Eine von unten nach oben laufende, schicke, von uns sehr bewunderte, aber „leider“ aus Deutschland stammende Eieruhr misst drei Minuten, in denen seine Mischung in Eiswasser zieht. Verwendet werden 7 g Tee für vier ungefähr fingerhutgroße Portiönchen. „Je kleiner die Tasse, desto besser der Tee“, auch jetzt wieder, was uns ein wenig auf das nun folgende Erlebnis vorbereitet. Da wir nur zu zweit sind, erhalten wir nach den drei Minuten Ziehzeit doppelte Portionen (die aber immer noch fingerhutgroß sind – und es handelt sich um die Finger feingliedriger japanischer Hände).

Behutsam verteilt Herr Takada den fertigen Tee auf zwei Tassen, immer abwechselnd, damit beide identisch schmecken. Die letzten Tropfen werden konzentriert, meditativ beinahe, in die Tassen gebracht und sollen einen Moment der Stille erzeugen. Dann dürfen wir probieren und tun das tröpfchenweise (eine andere Möglichkeit gäbe es angesichts der geringen Menge auch gar nicht). Und erleben einen Augenblick der Transzendenz.

Ein Extrakt unbeschreiblicher, grüner Intensität, man fühlt die Essenz der Pflanze. Überirdisch. Die getrunkene Menge hätte keine Pipette gefüllt. Ganz nebenbei baut sich hier eine Brücke zu der Whiskyerfahrung auf: auch dort steckt in einem Tropfen eine enorme Kraft, während ein großer Schluck lediglich Unverständnis hervorrufen würde. Wir sind also begeistert. Auch der zweite Aufguss – ebenfalls mit Eiswasser – ist noch wundervoll.Der dritte wird mit 60 Grad heißem Wasser gemacht und ergibt einen ebenfalls leckeren, aber in bekannteren Gefilden angesiedelten Sud. Ein bis zwei weitere Aufgüsse mit kochendem Wasser dienen dann nur noch dazu, die Bitterstoffe zu entfernen, weil die Teeblätter am Ende mit einem Tropfen Sojasauce serviert werden. Sie schmecken nicht schlecht und sehen auf schönem Geschirr vor allem toll aus (wie Bonsaispinat).

Diese kleine Zeremonie vollzieht Herr Takada in aller Herren Ländern, wenn er mit seiner mobilen Zeremoniebox unterwegs ist (diese Boxen ersteht er auf Trödelmärkten). Kunden finde er per Mundpropaganda, und das laufe ganz gut. Einige weitere Tees – auch Produkte, deren Vermarktung er plant und zu denen wir unsere Meinung sagen – trinken wir noch, dann ruft Frau Takada zum Essen mit der Familie, das ganz nebenbei das wahrscheinlich leckerste unserer Reise ist. Nachgewürzt wird unter anderem mit Teesalz.

Die Tee-Strategie

„In Japan“, so Herr Takada, „wird von den jungen Menschen immer weniger Tee konsumiert. Er ist nicht cool.“ Die Ausnahme seien die Plastikflaschen aus den Automaten mit eiskaltem Grüntee, ein Ausdruck neuer Kulturlosigkeit (leider haben wir sie immer sehr gerne getrunken: ein ungesüßtes, angenehmes Getränk bei 35 Grad im Schatten). Ich paraphrasiere: „Wenn im Westen mehr grüner Tee getrunken würde, könnte das auf Japan zurückwirken. Das ist meine Idee. USA und Europa sind noch immer Messlatten für Coolness in vielen Bereichen.“

Wie realistisch das ist können wir schwerlich einschätzen. Das Vorhaben erinnert aber an die Ansicht einiger Kulturexperten, dass „der Dharma aus dem Westen wieder in den Osten wandert“, dass also die während Kulturrevolution und Modernisierung besonders bei der Jugend unpopulärer gewordenen asiatischen Religionen (Buddhismus, Taoismus) wieder einen Aufschwung erfahren haben, weil sie durch ihre Popularität im Westen sozusagen „abgesegnet“ worden seien.

Geschenke

Die ungefähr siebenstündige Begegnung endet mit Geschenken. Japan ist das Land der Geschenke. Pauschal haben wir eine Kollektion edler, schön verpackter Schokolade mitgebracht, die wir jeweils als kleines Dankeschön für die uns zuteil gewordene unglaubliche Gastfreundschaft überreichen. Was wie so oft blass ausfällt im Vergleich zu dem was wir erhalten. Neben der Zeit, dem wunderbaren Dinner, dem vielen Tee und den guten Gesprächen bekommen wir, als wäre das nicht schon überreichlich, noch ein Zubereitungs- und Servierset samt Teepaket, damit wir mit unseren Freunden in Berlin die faszinierendste Teeerfahrung dieser Reise noch einmal teilen können. Domo arigato gozaimasu, Takada-San.

Fujigotemba – grüner Tee bei den Damen

In Fujigotemba entdecken wir einen kleinen Teeladen in einer unbedeutenden Nebenstraße. Dort werden wir von zwei reizenden Damen – die eine etwas älter, die andere etwas jünger – recht herzlich begrüßt. Die Schnittmenge unserer sprachlichen Möglichkeiten ist wie so oft null, also sind Mimik und Gestik die Rohstoffe unserer Kommunikation. Alle vier haben wir unseren interkulturellen Spaß. In Japan geschieht es oft, dass man uns eindringlich auf Japanisch etwas klarzumachen versucht und auf unsere verständnislosen Mienen mit überdeutlicher Artikulation und einfacher Sprache mit zahlreichen Wiederholungen reagiert. Nutzen tut es freilich nichts. Wieder bekommen wir eingeschenkt, diesmal einen einfachen kalten Bancha. Nett.

Ich versuche, die Angelegenheit auf ein neues Level zu heben, indem ich, ähnlich einer venezianischen Taube, „Gyukuro, Gyukuro?“ gurre. Da nicken die beiden, wir alle freuen uns; die ältere Dame geht zum Kühlschrank (so soll es sein, Gyokuro muss gekühlt gelagert werden) und holt ein 50- und ein 100 g-Päckchen heraus. Ohne Details zu Herkunft und Alter in Erfahrung bringen zu können, erkläre ich meine Kaufbereitschaft: 50 Gramm genügen. Ein Einsatz von 1.600 Yen ist vertretbar, der Genuss kann potenziell transzendent sein (jedenfalls wenn der kostbaren Stoff den Transport in die ferne Heimat unbeschadet übersteht).

Neues über die japanische Teekultur im Sinne darstellbarer Fakten haben wir nicht erfahren – egal. Am Ende bekommt jeder von uns noch zwei Grüntee-Bonbons mit einem Mount Fuji-Motiv drauf geschenkt (dieses ist im Umkreis von 100 Kilometern auf fast jeder Tasse, jeder Postkarte, jeder Packung Reiskuchen, jeder Eintrittskarte und jeder Tüte Zucker zu finden), und wir verlassen den handlichen kleinen Laden in dem Bewusstsein, dass ein paar herzliche Augenblicke die Distanz zwischen den Völkern schrumpfen lassen kann wie eine achtsam getrunkene Tasse Gyukuro den Stress des modernen Alltags.

Zum Anschluss erfahren wir noch, dass die jüngere der beiden als kleines Kind einmal zu Besuch in „Brn? Brlino? Berolino? Aha! Berlin!“ war, wie wir gemeinsam entschlüsseln. Es gelingt uns noch auszudrücken, dass es sich dabei um unsere Heimatstadt handelt, dann sind wir alle ein wenig erschöpft, aber glücklich, und verabschieden uns in unsere jeweiligen disjunkten Lebenswelten.

Grüner Tee im Harukiya-Shop in Fujiyoshida am Fuße des Fuji-San

Die freundlichen, lustigen, etwas albernen Damen der Tourist Information an der Mt. Fuji Train Station am Fuße des Fujiyama in der kleinen Stadt Fujiyoshida zeichnen uns den Weg zum nächsten Teeshop namens Harukiya auf (es handelt sich eigentlich um eine der Filialen der Harukiya Ltd.). Wir suchen ihn und finden ihn und werden dort von einer ausgezeichnet Englisch sprechenden Verkäuferin empfangen. Die grünen Tees, die das Geschäft neben Teeutensilien, Kaffee und etwas Tinnef hauptsächlich führt, stammen weitgehend aus der Nachbarpräfektur Shizuoka, einige andere von der südlichsten japanischen Insel Kyushu. Seit dem Disaster in Fukushima sei die Nachfrage nach Tees aus weiter entfernt liegenden Gegenden gestiegen, und die Produzenten auf Honshū hätten das Nachsehen. Shizuoka bleibt aber nach wie vor das wichtigste Anbaugebiet Japans.

Madame T (wir hätten nach ihrem Namen fragen sollen, nur irgendwie war das Gespräch zwar sehr nett, aber nicht allzu verbindend) gießt noch einmal auf was sie gerade selbst trinkt und schenkt uns ein. Nicht schlecht, aber auch keine Offenbarung. Ich erkläre, dass ich großer Fan dieses edlen Getränks sei und ein bis zwei Liter am Tag konsumiere. Worauf sie erwidert, in Japan trinke man guten grünen Tee eher in kleinen Mengen zur gesitteten Entspannung. „Ich auch, ich auch“, versichere ich schnell, „die einfacheren Tees zur Arbeit oder zum Essen, die richtig guten in abendlicher meditativer Laune.“

Wir fragen höflich, ob es möglich sei, direkt zu den Highlights überzugehen und was diese seien. Gyukuro, den feinsten aller Grüntees, habe sie nicht auf Lager, sie schlägt aber eine Alternative vor: einen Sencha aus Shizuoka, den sie mit den Worten „mal sehn ob ich ihn gut hinkriege“ zuzubereiten beginnt. Sie wirkt nicht wie eine absolut routinierte Profi-Teeistin und steht dazu.

Der kleine Shop ist gut besucht, immer wieder kommen Besucher herein, bekommen eine Tasse Tee eingeschenkt, kaufen etwas oder auch nicht, verbeugen sich, nicken uns freundlich zu oder auch nicht und verhalten sich insgesamt ziemlich japanisch. Wir probieren den Tee, den sie weniger als eine Minute bei 60 Grad ziehen lässt (ihre Faustformel: „je besser der Tee desto kälter das Wasser, aber meistens 60 Grad“ bestätige ich nicht vollen Herzens, aber die Tendenz ist ok). Und ich bin begeistert: er ist recht mild, dennoch tief, ausgeglichen, hat Seele. Ich kaufe (2.100 Yen für 100 g).

Ob es spezielle Bedingungen gebe, um diesen flüssigen Smaragd so hinzubekommen, frage ich. Noch während ich nach der Herkunft des Wassers frage, dämmert mir, dass wir uns ganz nah am Fuji befinden, und sie bestätigt die Qualität des Gebirgswassers, das wohl kaum von jenem aus importierten Plastikflaschen übertroffen werden dürfte.

Inzwischen passiert draußen – das Geschäft befindet sich an einer Kreuzung – ein Unfall. Ein japanischer Kleinwagen mit zwei älteren Frauen rammt einen japanischen Kleinwagen mit einer jungen Frau, es gibt einen beachtlichen Knall. Eine der Parteien hat offenbar die rote Ampel ignoriert (vielleicht weil die Fahrerin uns im Laden gesehen hat), die andere konnte nicht ausweichen. Wir rennen hinaus, stellen fest dass das getroffene Auto fahrerseitig konkav gedellt, die junge Fahrerin aber unverletzt ist und auch nicht den Eindruck macht als würde sie posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln. Sie schafft es noch, auf den Parkplatz neben dem Teeshop zu parken. Die ältere Fahrerin hat angehalten und läuft bleich (noch bleicher als es ihr genetisches Erbe ohnehin von ihr verlangt) auf das lädierte Gefährt zu. Die Angelegenheit schwenkt endgültig in einen ordnungsgemäßen Ablauf ein, als die Polizei kommt.

„Die jungen Leute von heute trinken nicht mehr so viel grünen Tee“, erklärt die Verkäuferin. „Eher Cola“, äußere ich meine internationale Beobachtung, und sie nickt. Wir lassen uns den nächsten Tee empfehlen, einen der Importe aus Kyushu. Mit 1.300 Yen günstiger als der andere, nicht ganz so erhaben, aber ebenfalls sehr lecker. Und ebenfalls: gekauft.

Wieder kommen Kunden und gehen, draußen brechen die Wolken auf und ergießen ihre Wassermassen als gäbe es kein Morgen. Wir reden noch ein bisschen über Erzeugungs- und Zubereitungsmethoden, ich lasse mir noch ihren persönlichen Alltagslieblingstee empfehlen (ein Sencha aus Shizuoka für 700 Yen pro 100 g), den wir aber nicht mehr probieren, sondern, alle guten Dinge drei sein lassend, ebenfalls kaufen. Stefan erwirbt noch eine hübsche Dose Matcha, und wir sagen Sayonara.

Tokyo – erster grüner Tee

In Japan anzukommen ist und bleibt unbeschreiblich. Das erste Marsch zur ersten Unterkunft (aktuell ein niedlicher Ryokan im nördlicheren Tokyo), das erste Essen … und begleitend der erste grüne Tee (hier von-selbst-kommend und damit im Gegensatz zum ersten Whisky, der aktiv herbeigeführt werden muss). Und eisgekühlt, also jenseits des hier untersuchten Kontexts stehend. Über allem eine nicht unbeträchtliche Müdigkeit, die mich zur Kürze animiert und auf folgende nicht allzu tolle Fotos verweist. Gute Nacht.