In Kyōto bin ich, doch beim Schrei des Kuckucks sehn ich mich nach Kyōto
(ein Haiku von Basho, eines meiner liebsten)
In Kyōto sehnen wir uns nicht nach, aber finden dennoch eine kleine (Jazz-)Bar namens The Ansonia Café. Der Live-Act (ein Gitarrist, den wir vorher beim Vorbeigehen von draußen gesehen hatten) ist vorbei, als wir eintreten und vom Inhaber Shinji Fulta in ordentlichem Amerikanisch begrüßt werden. Weiter hinten an der Theke sitzt nur noch ein weiterer Gast, und so haben wir viel Raum für ein ausführliches Gespräch mit einem sehr netten Experten der japanischen Trinkkultur.
Schnell stellt sich heraus, dass Whisky nicht eines der Steckenpferde Shinjis ist – wie auch nicht der meisten seiner Gäste. Getrunken wird neben Bier, Wein und Longdrinks erstaunlich viel von dem bei uns kaum bekannten Shōchū, einem meist 25%igen Destillat aus Reis, Gerste, Süßkartoffel oder Zuckerrohr. Von uns verkostete Varianten waren jene aus Reis und Süßkartoffel – recht interessant, aber die Bezeichnung „Japanischer Wodka“ ist durchaus passend.
Den 10jährigen Single Malt von Nikka will er zunächst auf Eis servieren (Schande, auch wenn es sich nicht um einen Spitzenwhisky handelt), wovon Stefan ihn abhalten kann, dann aber kommt er in einem viel zu kleinen Glas – keine Chance für eine Nase, weder einer kurze noch eine lange. Bei der nächsten Bestellung, einem 17jährigen Pure Malt, ebenfalls Nikka, wird das korrigiert. Edlen Whisky in japanischen Bars zu trinken strapaziert das Budget, und Neuigkeiten sind in dieser hier ohnehin nicht zu finden. Also beschränkt sich Stefan auf verhältnismäßig wenige Proben, ich mich auf etwas Sake und Shōchū, und wir alle freuen uns über interkulturelle Gespräche der angenehmsten Art, an denen sich später auch noch weitere hinzukommende Gäste beteiligen.