Die vielen mitgebrachten Tees brauchen sich langsam auf: viele waren großartig, manche hatten entweder ihre besten Tage hinter sich oder ich lag mit der Zubereitung um einen Kontinent daneben oder sie gehörten einfach nicht dazu. Nun steht neben mir eine Tasse, die mich veranlasst, den einfachen, aber äußerst effektiven Kategorien Gut und Schlecht eine weitere hinzuzufügen: Überirdisch.
Es war ein wenig aufwändig, den Gyukuro, der ja gekühlt gelagert wird, nach Berlin zu schaffen: immer wieder hieß es „rein in die Minibar, raus aus der Minibar“. Die reizenden Damen hatten ihn gut verpackt und in mehrfachen Schichten Papier und Plastik und einer Kühltasche verstaut. Seit unserer Rückkehr nach Berlin lagert er in unserem Kühlschrank, und heute habe ich ihn endlich entkorkt. Beim Öffnen der Verpackung lief mir allerdings das Wasser aus der äußeren Plastiktüte entgegen, und die innere Kühltasche war ebenfalls so nass wie Schottland im Hochsommer. Ein physikalisches Wunder, das zu ignorieren mir aber nicht schwer fiel, den ich fürchtete um den edlen Stoff. Wie bei einer Babuschka kämpfte ich mich vor, um am Ende dann erleichtert das feuchte, aber nicht nasse ursprüngliche Produkt in den Händen zu halten (das Wasser habe ich nicht untersucht, wahrscheinlich war es radioaktiv, irgendein Fukushima-Seiteneffekt). Der Tee selbst war vollkommen trocken.
Und hat sofort funktioniert: Wasser auf 55 Grad, einen gehäuften Esslöffel für mein große Tasse (hier breche ich mit der Tradition, aber ich bin auch der Meinung, dass Körpervolumen und Teemenge in einem ausgewogenen Verhältnis stehen sollten) – und genossen. Während ich diese Zeilen tippe, steht neben mir der zweite Aufguss.